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Agil im Vertrieb: Agiler Vertrieb ist mehr als verkaufen

Agiler Vertrieb ist mehr als verkaufen; von Andreas Karutz
Agiler Vertrieb

Statt einzelner Helden: Wie Sie mit agiler Führung und Organisation die Leistung im ganzen Vertrieb steigern.  

von Andreas Karutz 


Agiler Vertrieb:  Agilität wirkt auch im Vertrieb und ist keine Magie

Der Agile Vertrieb und der Rest der Firma

Der Einzug agiler Methoden und Arbeitsweisen macht auch vor dem Vertrieb nicht halt. So lassen sich agile Methoden des Projektmanagements wie Scrum und Kanban natürlich auch im Vertrieb anwenden. Vertriebler verbringen aber den Großteil ihrer Zeit beim Kunden und nicht in der Firma.

 

Oft heißt es auch "Wir draußen waren schon agil als es das Wort noch gar nicht gab, macht ihr das in der Zentrale mal nach" (z. B. flexibel in Produktion, Lieferung und Abwicklung sein, um auch außerhalb von festen Abläufen etwas für den Kunden möglich zu machen). Aus dem Unternehmen kommt gerne die Retourkutsche von den haltlosen Versprechungen an die Kunden und das der Vertrieb keine Ahnung hat, was man "Innen" alles zu leisten hat damit "Draußen" alles funktioniert. 

 

Egal. Ein guter Vertriebler ist immer kundenorientiert und nimmt Wünsche und Anforderungen der Kunden auf. Aus dem Vertrieb gelangt eine Fülle von Kundeninformationen in die Firma. Werden diese Informationen qualitativ veredelt (sei es in einem CRM-System oder meistens in den Köpfen der Außendienstler), so wird daraus Wissen zur Erzielung von Umsätzen. So kennt ein Key Account Manager z.B. sehr genau die Situation seiner Kunden und was diese konkret brauchen oder was die Entscheider in den Kundenfirmen antreibt. Daraus lassen sich zugeschnittene Angebote machen, die auch kurzfristig inhaltlich und zeitlich präzisiert werden müssen, um der Konkurrenz voraus zu sein.

 

Dazu braucht der Vertrieb die "Möglichmacher" im eigenen Unternehmen. Der Vertriebs-Innendienst ist damit überfordert, weil dieser oft der indirekten Außendienst-Steuerung dient oder vorgefertigte Maßnahmen zur Unterstützung bietet. Geht es gar um vitale Themen wie individuelle Preiskalkulationen und Sonderwünsche (auch solche von hohem Umsatzwert), findet sich ein Vertriebler schnell am Telefon wieder, um in der Firma Unterstützer und Entscheider zu mobilisieren. Die angesprochenen Führungskräfte und Mitarbeiter im Unternehmen empfinden das als Störung ("not-my-problem"). So nützt das ganze Wissen nichts und die Kundenbearbeitung läuft schief. 

 

Dieses Problem zu lösen ist eine Managementaufgabe, für die es eine Reihe von Ansätzen in der Führung, Organisation und Incentivierung gibt, die nicht nur unter "agile Arbeitsweisen" subsummiert werden können, sondern die Unternehmensführung betreffen.

Der Vertrieb und die Helden des Systems

Das andere Problem liegt im Vertrieb selbst.

Vertriebe fördern traditionell den Einzelkämpfer und belohnen erfolgreiche Helden. Vertriebler sind ebenso Rivalen wie Kollegen. Wissen und Erfolgsfaktoren werden ungern geteilt. Unternehmen haben Provisionssysteme und die Vertriebsleiter führen ihre Bereiche entsprechend der in der Entlohnungslogik ausgedrückten Ziele. Wenn die Bedingungen fair sind, herrscht im Vertrieb ein ehrlicher, harter Leistungswettbewerb.

 

Viele Vertriebsorganisationen sind damit groß geworden und bis heute erfolgreich. Allerdings sind solche Organisationen stark abhängig von Einzelpersonen und haben eine höhere Fluktuation. Der Fokus liegt auf Verkaufserfolgen mit den bestehenden Produkten und Dienstleistungen. Individuelle Fähigkeiten der Vertriebler, die über die provisionierten Leistungen hinausgehen, werden weder gefordert noch können sie irgendwo im Unternehmen eingebracht werden.

 

Das geht besser! 

Im agilen Vertrieb geht mehr

Mehr ist es, statt einzelner Helden eine insgesamt stärkere Organisation zu haben. Eine Vertriebsorganisation die lernt, die ständig besser wird und unabhängiger gegen Außeneinflüsse ist und die nicht nur Verkaufserfolge mit bestehenden Produkten hat, sondern Impulse für die Produkte und Leistungen von morgen einbringt.

 

Dieser Vertrieb wird im Unternehmen crossfunktional vernetzt (bestenfalls integriert) und nicht nur an - mehr oder weniger unvollkommene - Schnittstellen angedockt. Selbstverständlich verkauft eine solche Organisation auch mehr. Das berührt natürlich die Bezahlung und ohne eine Änderung traditioneller Incentivierungen (s.o.) bleibt das ein Luftschloss.

 

Dazu braucht es neue Standards der Zusammenarbeit:

  • Vertrauen in die Führung
  • Transparente und offene Kommunikation nach innen (Stakeholder, Fachabteilungen) und nach außen (externe Partner, Kunden)
  • Das vorhandene Herrschaftswissen und die gesammelten Erfolgsgeheimnisse müssen auf solider Datenbasis geteilt werden
  • Konzertierter Mix von z. B. Außendienst und digitalen Systemen in Akquisition, Kundenbearbeitung, Kundensegmentierung und Angebotserstellung
  • Veränderte Bezahlung und Anreize

Eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen dem Vertrieb und anderen Fachabteilungen führt die dem Verkauf vor- und nachgelagerten Funktionen (Prozesse) zusammen. Das im Unternehmen vorhandene Wissen fließt verlustfrei ein und sorgt für die größtmögliche Wertschöpfung. Da wäre es verheerend, wenn lediglich partielle Anreize und Vergütungen wieder zu Bereichsegoismen und Teiloptimierungen führten. 

 

Die Lösung liegt in Teamzielen z. B. auf der Basis von OKR und einer Verknüpfung des Unternehmenserfolgs mit dem Kundennutzen. Das ist Aufgabe der Unternehmensführung. Viele Manager haben aber enorme Schwierigkeiten dafür geeignete KPIs zu entwickeln, weil diese der bisherigen Denkweise entgegen stehen. Dafür gibt es uns.     

Fangen Sie mit agilen Inseln im Vertrieb an

Es beginnt mit einer Entscheidung der Unternehmensführung. Am besten wählen Sie Ruinen aus, z.B. vakante Key Accounts, schlechte Verkaufsgebiete oder allgemein Einheiten von hoher Fluktuation und schwacher Performance. Das sind Ihre Piloten.

 

Dann schaffen Sie neue (crossfunktionale) Strukturen, nutzen agile Arbeitsweisen und schulen Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte. Im Unternehmen werden diese agilen Inseln wahrgenommen: Informationen verbreiten sich, Ergebnisse werden sichtbar und es wird diskutiert. So erfährt eine Unternehmensführung schnell, wie die Mitarbeiter in anderen Bereichen dazu stehen und wie attraktiv das Modell ist.