Gut gemeinte Äußerlichkeiten reichen nicht. Der Umgang von Chefs und Mitarbeitern muss dazu passen.
von Andreas Karutz
Agile Manager kooperieren und ermöglichen ein unverkrampftes Miteinander
Falscher Alarm
Der Chef der Firma kam, und es passierte, was leider oft passiert. Die Wirkung war wie das Fallenlassen eines Steins senkrecht ins Wasser. Der Stein verdrängt das Wasser und dieses weicht in kreisrunden Wellen aus. So auch hier. Kaum platzte der Chef in die Runde am Kaffeeautomaten, schon stoben die Mitarbeiter wie aufgeschreckte Lämmer in alle Richtungen davon. Nicht nur einmal passierte das. Der gefrustete Inhaber war ratlos und beklagte sich bitterlich über die Unternehmenskultur.
Was war passiert?
In gut gemeinter Absicht hatte die Unternehmensleitung beschlossen, einen bisher ungenutzten Sozialraum als Meeting-Point für ein agiles Miteinander einzurichten. Wände wurden bunt gestrichen, ein Holzdekor in Birkenoptik angebracht, ein wirklich guter Kaffeevollautomat angeschafft (Kaffee frei), Bistrotische verteilt und ein pompöser Tischkicker in die Mitte gestellt.
Start-Up Atmosphäre sollte das verbreiten. Nähe, Aufgeschlossenheit, gar so was wie eine neue Kultur im Unternehmen einläuten. Nur war die bisher praktizierte Kultur eine andere. Zufällige Gespräche mit dem Chef (wenn es mal welche gab) endeten mit zusätzlich aufgehalster Arbeit (und zwar zur zügigen Erledigung) oder die Mitarbeiter bekamen einen Rüffel.
Aus solcherart Gelerntem resultiert natürlich ein Fluchtimpuls. Der Chef hatte das nie so gesehen und auch rundheraus abgestritten, dass es so sei. Aber er hat auch in der Regel kein Korrektiv, keinen Sparringspartner mit dem er auf Augenhöhe diskutieren könnte. Ein Nachteil gegenüber sich gegenseitig Feedback gebenden Teams.
Es geht besser
Inhaber und Chefs wissen meistens mehr als andere Mitarbeiter und sie haben viele wertvolle Ideen und auch Tipps. Sie sollen gehört werden. Besser noch, dass sie in einer guten Umgebung diskutiert werden. Mitarbeiter nehmen ständig Informationen auf und haben Ideen, die für ihren eigenen Job aber auch für Kollegen wichtig sein können.
Der Meeting Point an der Kaffeemaschine ist ein guter Ort, um Informationen zu teilen (und steht hier als Metapher für einen informellen Platz). Es gibt keinen besseren Ort, um sich über den Tellerrand hinaus auszutauschen, Ideen aufzunehmen, Ansichten zu diskutieren, zu informieren, zu unterstützen, zu ermutigen und zu lernen. Es ist der Ort, an dem Wissen veredelt und Unsinn verworfen wird.
Ich habe noch nie jemanden getroffen, der ernstlich behauptet hätte, dass in einem offiziellen Meeting eine zündende Idee geboren worden wäre. Die kreativsten und wertvollsten Ideen werden informell zur Welt gebracht. Sie entstehen in einem entspannten, informellen Rahmen, z. B. an der Kaffeemaschine. Damit auch Führungskräfte daran teilhaben können, bedarf es einer dazu passenden Interaktion zwischen Chefs und Mitarbeitern. Das ist die Prise der Kultur die hier fehlte.
Ach ja, die Kultur
Noch ein Wort zur Kultur, ein mitunter überhöhter Begriff um den manche Change-Manager eine Wagenburg bauen, aus der heraus sie den Rest des Unternehmens wie Voodoo-Priester verunsichern.
Was ist die Unternehmenskultur?
Kultur ist die Summe der Regeln und Gewohnheiten die die Arbeit und das Verhalten bestimmen. Es ist der Raum zwischen den niedergeschriebenen Leitlinien des Umgangs miteinander und dem schlechtesten Verhalten, das in der Firma gerade noch hingenommen wird. Alles dazwischen ist die praktizierte Unternehmenskultur.
Das ist in erster Linie Beziehung und als solche schwer messbar, aber sichtbar und fühlbar. Die Unternehmenskultur lässt sich erfassen und gestalten und deshalb auch verändern. Damit zu beginnen und einen Rahmen vorzugeben ist Aufgabe der Unternehmensführung, die sich darin unterstützen lässt. Im obigen Fall hinderte nichts die Führungsspitze daran, die Kommunikation mit den Mitarbeitern zu verändern. Das ist ein ganz einfacher Beginn.