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Agile Transformation – Fokus 4: "Warum wollen wir uns überhaupt verändern?"

Agile Transformation und Management, von Andreas Karutz
Agile Transformation - Motive

Veränderungen in Unternehmen werden gerne auf der Ebene von Prozessen und Methoden begonnen und führen oft zu Enttäuschungen. Eine wirksame Transformation muss weiter vorne ansetzen.

 von Andreas Karutz


Agile Veränderungen leiten sich aus der konkreten Situation eines Unternehmens ab, aber es fängt nicht mit Methoden und Techniken an

Agilität und die Sinnfrage

Bei den meisten Dingen im Leben beantworten wir klugerweise zuerst die Sinnfrage, bevor wir etwas Wichtiges tun. In Unternehmen kann man oft beobachten, dass eine Unternehmensführung mit Elan einen Change Prozess initiiert und auch bei den Mitarbeitern hohe Erwartungen weckt, ohne sich wirklich über die eigenen Motive und vor allem über den Weg und den Preis klar zu sein.

 

So werden antizipierte Disruptionen des eigenen Geschäftsmodells oder auch nur die einfache Erkenntnis, dass es irgendwie nicht rund läuft zum Anlass genommen, an Prozessen zu arbeiten und durch Schulungen in Methoden und Tools Abhilfe zu schaffen. Das ist aber das Pferd von hinten aufzäumen.  

Motive treiben uns

Erwartet ein Unternehmen – z. B. durch digitale Technologien oder einen Wertewandel in der Arbeitswelt – bedrohliche Veränderungen im Markt-Kunde-Konkurrenz Umfeld und der eigenen Organisation, auf die nicht mit innovativer Anpassung reagiert werden kann, so ist das ein ernsthaftes Motiv. 

 

Fällt diese Erkenntnis zusammen mit einer Position aktueller wirtschaftlicher Stärke, ist das eine komfortable Ausgangslage. Schwindet bereits die wirtschaftliche Kraft und ist ein Unternehmen getrieben von der Konkurrenz und Marktdynamik, mögen Veränderungen als letzter Ausweg erscheinen. Das Motiv stimmt, aber die Lage ist kritisch und wird es vorerst bleiben.

 

Sind hingegen disruptive Einflüsse nicht erkennbar oder soll ein Change Prozess angestoßen werden weil „Agilität“ gerade modern ist, fehlt die Grundlage für die Transformation einer Organisation und man sollte die Finger davon lassen. 

 

Die Überprüfung der Motive und der aktuellen Unternehmenssituation ist wichtig, weil sich daraus die Ernsthaftigkeit des Veränderungsvorhabens ergibt.  

Das Zielfoto bestimmen und den Preis bezahlen

Nachdem die Motive geklärt sind wird die Strategie des Unternehmens in den wesentlichen Punkten bewertet und die Zielrichtung (ggf. korrigierend) festgelegt. Dann ist die Frage nach dem Zielzustand zu beantworten, konkret: Was soll erreicht werden und wie sieht danach die Organisation (oder von Teilen) aus, die sich auf den Kunden ausrichtet?  

 

Das Zielfoto korrespondiert mit dem zu zahlenden Preis. Damit ist nicht das Beraterhonorar gemeint, sondern die Konsequenzen hinsichtlich Struktur, Führung, Kultur und Zusammenarbeit, die von den Führungskräften eingelöst werden müssen. Die Ernsthaftigkeit von Veränderungen offenbart sich spätestens jetzt!

 

An Stichworten seien hier nur genannt: An die Stelle von festen Zuständigkeiten und Kästchen im pyramidalen Organigramm, hierarchischer Führung, Aufgabenzuweisung und formalen Prozessen treten Gestaltungsfreiheit, Zusammenarbeit in Netzwerken, Selbstorganisation und Selbstführung, das eigenverantwortliche Abholen von Aufgaben und (crossfunktionale) Problemlösungen.

 

Das ist weit mehr als ein wenig kulturelle Kosmetik. Es ist ein neues Fundament für die Firma und muss hart erarbeitet werden.  

Den Reifegrad der Firma messen

Sofern an dieser Stelle nicht schon Schluss ist, muss der Reifegrad der Menschen und der aktuellen Organisation gemessen werden. Danach bemessen sich die nächsten Schritte. Zur Bestimmung des Reifegrads zählen beispielsweise Fragen nach:

  • wie wird die Strategie operativ umgesetzt und wie funktioniert ein korrigierender Abgleich?
  • wie wird faktisch geführt und welche Personalinstrumente werden eingesetzt?
  • wie ist die Zusammenarbeit, wie werden Erfahrungen weitergegeben und die Potenziale der Mitarbeiter gehoben und wie werden Entscheidungen getroffen?
  • wie ist die Aufbauorganisation, wie verlaufen die Berichtswege und welche Meetingkultur gibt es?
  • welche personellen Talente/ Unterstützer/ Widerständler (aus der Stakeholder Analyse) können identifiziert werden?
  • welche Prozesse, Methoden und Tools gibt es?

 Je nach Ergebnis der Messung werden die einzelnen Schritte der Veränderung in Reihenfolge und Umfang geplant und durchgeführt.

Veränderungen managen

Jetzt geht es los und es beginnt üblicherweise mit Schwierigkeiten. Neue Situationen und Menschen machen Angst. Es mag schlechte Erfahrungen geben. Neue Arbeitsweisen fordern dem Einzelnen Zeit und unbequeme Gedankenarbeit ab. Es gibt Kontrollverluste, solange die Veränderungen unkonkret sind. Zudem kosten Veränderungen Zeit und Geld und es gibt keine Garantien für einen Erfolg.

 

Schon daraus wird klar, dass Veränderungen aktiv gemanagt und angeführt werden müssen!

 

Das ist die Aufgabe der Unternehmensspitze. Dafür müssen Kapazitäten im Management benannt werden (Machtpromotoren in Vorstand/ Geschäftsführung und angesehene Führungskräfte) und Ressourcen bereitgestellt werden (Personal, Geld, Ausbildung, Zeit) sowie begleitende Unterstützung durch Agile Coaches sichergestellt sein.  

Und zum Schluss Prozesse & Co.

Ohne Zweifel sehr wichtig sind die zu trainierenden Skills der Führungskräfte und die zu schaffenden agilen Organisations- und Führungsstrukturen (Teams und supportende Einheiten, Meetings, Entscheidungsfindung etc.) und Tools wie Scrum und Kanban als Mittel zum Zweck.

 

Ferner werden agile Personalinstrumente wie Peer Feedbacks, Team-Incentives und agile KPIs zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Arbeit benötigt.

 

Das ist aber erst der letzte Schritt.