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Agile Unternehmensführung: Vergessen Sie Geschäftsprozesse. Oder doch nicht?

Geschäftsprozesse und Agilität im Mittelstand; von Andreas Karutz
Agile Geschäftsprozesse

Wo Geschäftsprozesse was taugen und wo nicht, oder: Nicht alle Aufgabenstellungen im Unternehmen sind für agiles Arbeiten geeignet.

 von Andreas Karutz


Geschäftsprozesse in einer agilen Welt

Die Tradition des Messens

In der traditionellen Managementliteratur wird der Optimierung und Beschleunigung von Geschäftsprozessen breiter Raum eingeräumt. Dieses Denken stammt aus einer tayloristischen Betrachtung der Welt und dem Glauben an die Messbarkeit von Allem. 

 

Im Kern sind Geschäftsprozesse (und deren Teil-Prozesse) nichts anderes als eine Abfolge von Tätigkeiten und Verrichtungen die im Hinblick auf ein Ergebnis zu erledigen sind. Manche dieser Tätigkeiten können parallel erledigt werden, manche folgen aufeinander.

 

In der Modellierung von Geschäftsprozessen finden viele strukturiert denkende Menschen ein faszinierendes Betätigungsfeld. Quasi wie technische Zeichnungen werden Ablaufdiagramme gezeichnet und Anordnungsbeziehungen visualisiert, erzeugen Figuren wie Pfeile, Kästchen, Kreise, Dreiecke, Linien, Zylinder, Trapeze und weitere Elemente eine Ordnung von generalstabsmäßiger Klarheit. In dieser Umgebung dominieren formale Abläufe und Regeln und verdrängen Interaktion und Kommunikation im Unternehmen auf die Plätze. Mitarbeiter sind in erster Linie ausführende Organe.

 

Es gibt Toolboxen für Geschäftsprozesse und isoliert betrachtet ist das keinesfalls schlecht, nur taugt das nicht für jedes Problem im Unternehmen.

Problemlagen in Unternehmen: einfach-kompliziert-komplex-chaotisch

Wo vorgefertigte Prozesse Sinn machen

In einfachen Umgebungen, z.B. Auftragsbearbeitung, Inkasso- und Mahnwesen, Kreditvergaben, einfache Produktion, Abläufe in Kfz-Werkstätten etc. funktioniert das sehr gut und Prozesse lassen sich als Best Practices modellieren. Es gibt bekannte Variablen, bekannte Ergebnisse und bekannte Lösungswege. Es gibt die vorgegebenen Instrumente und alles wird umfassend dokumentiert. Dies lässt sich auf alle Problemlagen vergleichbarer Art anwenden. 

Best Practice Lösungen für einfache Probleme im Unternehmen

Wo vorgefertigte Prozesse keinen Sinn machen

In wissensbasierten Tätigkeiten (z.B. Marketing, Kampagnenmanagement, Softwareentwicklung, F&E) klappt das nicht. Zu viele Unbekannte und grundsätzlich verschiedene Lösungswege machen die Umgebungswelt kompliziert und teilweise komplex. Was soll man hier mit einem vorgefertigten Prozess anfangen?

 

Wenn sich die Lage ständig ändert, durch neue Kundenwünsche, Anforderungen aus dem Haus und Wettbewerbsdruck. Insbesondere in disruptiven Lagen, wenn bestehende Geschäftsmodelle schnell und nachhaltig bedroht werden, kommen rein innovative Anpassungen zu spät. Es muss dann schnell gehen und es wird eine Menge an rohen Informationen für erste Schritte verarbeitet. Für langfristige Pläne ist kein Raum vorhanden.

 

In agilen Umgebungen entwickeln sich Prozesse „unterwegs“, genau wie die zu findenden Lösungen. Kleine Schritte, kurze Zyklen und ständige iterative Anpassungen sind das richtige Vorgehen. Rückblickend kann man dann sagen, wie der Prozess gewesen war. Aber der ist keine Blaupause für ein Nächstesmal, denn da kann das was heute gut und richtig war ganz falsch sein.

Agile Lösungen für komplizierte und komplexe Probleme

Beispiel Digitalisierung von Geschäftsprozessen

Die Identifizierung geeigneter Umfelder für agiles Arbeiten ist Aufgabe des Managements. Nur wo die Problemlage danach verlangt können Prozesse mit Nutzen agilisiert werden. Im Rahmen der Digitalisierung von Geschäftsprozessen wird das bedeutsam. Geschäftsprozesse können unterschiedlich definiert und gegliedert werden, aber immer werden sie etwas zu tun haben mit Management, Produkten, Kunden und Vertrieb. Diese Kernprozesse existieren aus sich selbst heraus und erbringen die Wertschöpfung, die das Unternehmen am Leben halten. Dazu gehören:

  • Management: Strategie, Geschäftsmodellentwicklung, Unternehmensplanung, operative Steuerung etc.
  • Produkte: Produktportfolio, Produktentwicklung, Produktion, Innovation etc.    
  • Kunden: Akquisition, Betreuung, Service, Angebotserstellung, Marketing etc.
  • Vertrieb: Kundengruppen, Key Accounts, Vertriebswege (Kanäle, Gebiete), Kalkulation, Pricing etc.

Schon diese kurze Aufzählung beispielhafter Teilprozesse zeigt, dass offenkundig ganz unterschiedliche Aufgaben zu lösen sind. Entsprechend wird es unterschiedliche organisatorische Lösungshilfen geben, aus denen wiederum unterschiedliche digitale Anforderungen resultieren. 

 

Das Thema muss vom Management initiiert und geführt werden. Wir unterstützen Sie darin.